Im Oktober 2023 reiste das Kernteam von Engagiert mit Herz selber erstmalig in die Ukraine. Wir wollten unsere Verbindungsleute persönlich treffen und gleichzeitig auch ein paar wichtige Schauplätze kennen lernen.
Die zehntägige Fahrt entwickelte sich zu einem dichten und hochemotionalen Erlebnis, dass uns alle tief berührt und in unserem Engagement weiter bestärkt hat. In zwei Tagesetappen erreichten wir
das 1'500 km entfernte Uschhorod. Diese Stadt liegt ganz im Westen des Landes und aus Sicht von Kiew hinter den Karpaten. Daher heisst dieser Landesteil Transkarpatien. Vor dem Krieg hatte die
Stadt um 120'000 Einwohner.
Bei Kriegsbeginn schwoll diese Zahl auf rund 300'000 Personen an. Dies infolge der zahllosen Binnenflüchtlinge, die aus der Region Kiev und der Ostukraine kamen und die Stadt aus allen Nähten
platzen liess. Nach der Abwehr des russischen Eroberungsversuchs von Kiew im Frühjahr 2022 kehrten viel Menschen wieder nach Hause zurück und die Einwohnerzahl pendelte sich bei rund 160'000
Einwohner ein.
Unsere wichtigsten Verbindungsleute, ein eingespieltes Team aus griechisch-katholischen Priestern und ihren Familien, leben in Uschhorod oder wurden für seelsorgerische Aufgaben in die Frontregion beordert. Wir waren im Haus von Kamila und Ivan Kupar untergebracht und genossen die herzliche Gastfreundschaft. Ivan hat sieben Jahre in Deutschland studiert und beherrscht daher die deutsche Sprache. Mit seinen Freunden konnten wir uns in Englisch unterhalten.
Unsere Gastgeber hatten ein ambitioniertes Programm für uns vorbereitet. Bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft nahmen wir die lange Fahrt gegen Osten in Angriff.
Mit drei Bussen - vollgepackt mit Hilfsgütern - erreichte die Crew in den Folgetagen Kiew, die vollständig zerbombte Grossstadt Charkiw, Saporischja und Beryslaw. Aus Sicherheitsgründen wurde uns Schweizern empfohlen, nicht weiter östlich als Kiew zu reisen. Wir wurden in einem kleinen Ordenshaus mitten in Kiew untergebracht, während Bus 2 und 3 gegen Osten weiterreisten.
Am Folgetag zeigten uns die zwei Ordensschwestern Barbara und Marta die Kriegsschauplätze nordwestlich von Kiew: Irpin, Butscha und ein ländliches Dorf, das durch die engagierte Unterstützung der beiden engagierten Frauen im Wiederaufbau vorangebracht wird. Barbara hatte die Gelegenheit in ihrem Herkunftsland Slowenien im Radio zu sprechen und konnte so erhebliche Spendensummen einsammeln. Damit werden jene Bürger mit Geld und Baumaterialien unterstützt, die auch gewillt sind, am Aufbau ihrer Häuser selber mitzuarbeiten. Wir durften ein älteres Ehepaar besuchen. Die beiden mussten sich während der russischen Okkupation während 25 langen Tagen unter Todesangst im Keller verstecken. Jetzt haben sie sich im Kuhstall eine improvisierte Behausung eingerichtet und sind im Aufbau ihres Wohnhauses schon erstaunlich weit fortgeschritten, was sie uns mit Freude und Stolz erzählten.
Das individuelle und freiwillige Engagement dieser beiden Ordensschwestern hat uns tief beeindruckt und gezeigt, was einzelne Menschen bewegen und bewirken können. Und dass wir die Aussage niemals gelten lassen dürfen, man könne ja doch nichts tun und die eigenen Möglichkeiten seien zu unbedeutend. Ähnliches erfuhren wir auch bei der Begegnung mit dem bekannten Juristen Gennadiy Druzenko. Seine Frau ist Ärztin und begann sich 2014 für die medizinische Soforthilfe in den Krieggebieten zu engagieren. Ihr Mann hat mitgezogen und in der Zwischenzeit ein eindrückliches Helferteam mit moderner Logistik, Fahrzeugen und medizinischem Material aufgebaut. Er nutzt seine internationalen Beziehungen – auch zu uns –, um Spendengelder und Hilfsgüter zu erhalten. Das Schweizer Fernsehen SRF hat kürzlich darüber berichtet.
Tief beeindruckt hat uns ausserdem der Besuch im Militärspital Kiew. Wir bekamen Zutritt, weil auch hier schon einige Hilfsgüter unserer Organisation gelandet sind. Der Besuch in einigen Krankenzimmern, die voll sind mit schwer verwundeten und versehrten jungen Männern war schlicht herzzerreissend und abgrundtief traurig. Das Niveau des Spitals kann in Bezug auf den Ausbau und medizinische Standards nicht mit Schweizer Verhältnissen verglichen werden. Der Chefarzt und sein Team luden uns zu einer Besprechungsrunde ein, um zu erläutern, wo der grösste Mangel ist und in welche Richtungen unser Augenmerk beim Sammeln gehen sollte.
Als wohltuendes Kontrastprogramm zum Besuch im Militärspital hatten wir kurz vor unserer Rückreise in die Schweiz eine Gelegenheit, die durch uns unterstützte Schule (siehe Projekt „von Schuldkindern für Schulkinder“) zu besuchen. Die Schulleiterin führte uns durch die verschiedenen improvisierten Schulräume und es war eine Freude, in die strahlenden Kinderaugen zu blicken. Es war eine emsig-fröhliche Atmosphäre, die uns kaum erahnen liess, dass sich dieses Land im Kriegszustand befindet. Da auch hier in der Westukraine fast täglich Luftalarm ausgelöst wird, müssen die Klassen jederzeit in Bereitschaft sein, die Klassenzimmer zu verlassen und sich in die Schutzräume zu begeben. Diese sind zum Teil so eingerichtet, dass der Unterricht auch im Keller weitergeführt werden kann.
Zum Abschluss unseres Besuches konnten wir der Schulleiterin auch noch die zweite Tranche aus unserer Spendensammlung in Zürich vom Frühsommer 2023 überreichen.
Diese Reise hat uns eindrücklich vor Augen geführt, was individuelles Engagement auch weitab von staatlicher Hilfe oder von der Unterstützung durch grosse Hilfsorganisationen leisten kann. Es hat uns in unserem persönlichen Engagement bestärkt und vor Augen geführt, dass die Nothilfe und der Wiederaufbau noch für eine lange Zeit ein beherztes Engagement und Solidarität von möglichst vielen Menschen brauchen. Und dass Nichtstun für uns keine Option ist.
engagiert mit Herz
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