Im Oktober 2024 reisten Antonia, Severin, Rita und Richi zum zweiten Mal in die Ukraine, um unsere Verbindungsleute zu treffen und unser gewachsenes Netzwerk weiter auszubauen. Obwohl die besuchten Schauplätze immer noch mehr als 1'000 km von der Ostfront entfernt liegen, erhielten die vier tiefe Eindrücke und Schilderungen aus erster Hand über die existentielle Notsituation im Land. Richi schildert hier für uns seine Erfahrungen:
Unsere wichtigsten Kontaktpersonen, ein eingespieltes Team aus griechisch-katholischen Priestern und ihren Familien, leben in Uschgorod und stehen wiederum mit ihren Teamkollegen von der Front-Seelsorge in enger Verbindung. So erhalten wir viele erschütternde Erfahrungsberichte direkt aus Saporischschja, Beryslaw und Druzhkivka.
Auf dem Bild: Unsere Kontaktpersonen zusammen mit den emH-GründerInnen, (hinten v.l.:) Pavlo, Antonia, Rita, Severin und Ivan S., (vorne v.l.:) Ivan K. und Sergiy
Unser wichtigster Mann ist Ivan Kupar. Dank seinem mehrjährigen Studienaufenthalt im Collegium Orientale im deutschen Eichstätt spricht er fliessend Deutsch und begleitete uns täglich als Dolmetscher. Dadurch wurde die Kommunikation wesentlich präziser, als mit beidseits holprigen Englischkenntnissen. Ivan war somit unser Dreh- und Angelpunkt in der Ukraine: sprachlich – logistisch – organisatorisch. Das ganze Uschgorod-Team bedankte sich bei uns mit einer überaus herzlich-familiären Gastfreundschaft.
Auf dem Bild: Die Gastfreundschaft, mit der uns Ivan und seine Freunde bei sich aufgenommen haben, war sehr herzlich. Sie nahmen unseren Besuch zum Anlass, ein
grosses Festessen mit all ihren Frauen und Kinder auszurichten.
Bereits am zweiten Tag hatten wir die Gelegenheit, Mike in einem Cafe in Uschgorod zu treffen. Der Kontakt zu ihm besteht seit dem Sommer 2022. Bei Kriegsbeginn hatte sich der damals 30-Jährige entschlossen, freiwillig zur Armee zu gehen und mitzuhelfen, den russischen Angriff vor Kiew erfolgreich abzuwehren und die Unabhängigkeit der Ukraine zu verteidigen. Anschliessend war er als Drohnenspezialist an die Ostfront beordert worden. Dort hatte er endlose Monate in der trostlosen Atmosphäre von behelfsmässigen Militärunterkünften und Schützengräben verbracht und gelernt, mit der ständigen Lebensgefahr zu leben und alltäglich mit schwersten Verletzungen und dem Tod von Freunden und Kameraden konfrontiert zu sein. Groteskerweise hatten wir Dank den technischen Möglichkeiten von unserer warmen Stube aus direkt mit ihm im Schützengraben in Kontakt stehen können. Wir hatten ihm tröstliche Bilder aus dem friedlichen Westen gesandt. Er hatte uns immer wieder fast unerträgliche Bilder und Schilderungen aus den Schützengräben gesandt.
Jetzt wurde er aus gesundheitlichen Gründen vorläufig vom Frontdienst beurlaubt. Bei unseren Besuch blickten wir ins Angesicht eines gereiften und gestählten 33-jährigen Mannes. Sein Ausdruck war gefasst. Hinter seinem Lachen erkannten wir immer wieder auch eine abgrundtiefe Traurigkeit. Unsere Frage nach seiner nächsten Zukunft beantwortete er mit einem Schulterzucken: völlig ungewiss und dennoch voller Zuversicht.
Die südwestliche Ecke der Ukraine, Transkarpatien mit der Hauptstadt Uschgorod ist der sicherste Ort der ganzen Ukraine. Die Russen sorgen jedoch dafür, dass sich niemand an keinem Ort des Landes wirklich sicher fühlen kann. Wir hatten die Gelegenheit, die wunderschöne Kulturmetropole Lwiw / Lemberg zu besuchen. Die deutsche Bezeichnung Lemberg kommt aus der Zeit des Österreichisch-Habsburgischen Kaiserreichs. Die Stadt wird auch als «Das kleine Wien» oder als «Das Florenz des Ostens» bezeichnet. Wir lernten eine pulsierende und moderne Stadt kennen, die wir als Reiseziel in der Tat auf Augenhöhe mit Wien oder Florenz empfehlen können.
Auf dem Bild: Severin, Antonia, Richi, Rita, Natalia und Ivan S. in Lwiw.
Die 18-Jährige Natalia, die Tochter von Ivan S., hat im vergangenen Sommer in Lwiw ihr Studium begonnen. Raketenalarme sind für sie an der Tagesordnung. Die historische Altstadt von Lwiw wurde immer wieder Ziel der terroristischen russischen Raketenangriffe. Letztmals wurde die Stadt im Juli 2024 und am 4. September 2024 beschossen. Den Schauplatz des letzten Angriffes mit Todesopfern und Verletzten konnten wir besuchen und uns selber ein Bild der russischen Destruktivität machen. Dabei stellten wir uns bildlich vor, was passieren würde, wenn die gleiche Rakete in der Winkelriedstrasse Luzern oder in der Münstergasse Bern einschlagen würde.
Der Abschluss unserer Besuchsorte war wieder harmonischer und herzerwärmend. Wir besuchten die Theoband-Schule in Uschgorod, die aufgrund der kriegsbedingt überquellenden Schülerzahlen auf- und ausgebaut wurde. Hier konnten wir in Form von Geldspenden und Mobiliar aus der Schweiz konstruktiv beitragen und uns beim Schulbesuch von den erfreulichen Resultaten überzeugen.
Wir bleiben dran. Unser Engagement geht hartnäckig weiter, so lange wie notwendig!
engagiert mit Herz
Innerdorf 6
6022 Grosswangen
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TWINT an: Antonia Brusa, 079 800 72 36